(Anm. d. Red.: siehe auch ihre WARCRAFT-Story „Die
kosmische Ordnung“ in Paradise
54)
Leseprobe:
„Ich ... ich spüre etwas ...
wie Stoßwellen, Vibrationen, die den Sog in Schwingung versetzen.
Etwas regt sich, scheint sich suchend vorzutasten ..., ahnungslos,
verlangend ...“
Ein Schatten verzückter Begeisterung huschte über das schreckliche,
für die Lebenden unerträgliche Gesicht. Augen loderten auf
wie Flammenmeere, auf die ein Schauer aus Magnesiumpulver herabsank.
Sinnend hingen sie an der öligen Oberfläche einer flüssigen
Pechlache, die den Boden einer Schale aus schwarzem Blei bedeckte.
In einer Geste gedankenverlorener Beiläufigkeit ließ er
sie langsam in seinen gewaltigen Klauen hin- und herschwingen, sodass
sich die Lache in einen trägen Strudel verwandelte. Abrupt schleuderte
er die Schale kraftvoll zu Boden und sprang von seinem Lava unterwühlten
Thronsitz.
Aus unverständnissinnigen Augen starrten die versammelten Heerscharen
seiner Legion ihrem Herrn entgegen.
„Archimonde!“, brüllte der Großfeind des Lebens,
der Verwüster der Welten, über die Köpfe und Helme
seiner millionenfachen Schar hinweg.
„Archimonde, wie werden die Pläne für den bevorstehenden
Angriff vertagen. Ich habe etwas entdeckt, das mein Interesse errungen
hat.“
Mit eisenkrallenbewehrten Armschienen stieß sich der Befehlshaber
der Armee durch die Reihe dumpf vor sich hinstarrender Krieger. Nicht
jedem gelang es, Verwunderung oder Verdruss über die unerwartete
Ankündigung ihres obersten Kriegsherrn hinter einer undurch-dringlichen
Miene der Geringschätzigkeit oder grimmiger Entschlossenheit
zu verbergen. Einige, die den Eredar hatten rechtzeitig nahen sehen,
war es gelungen, seinen machtvollen Hieben auszuweichen.
„Die Legion ist bereit, dieses Sternensystem in Angriff zu nehmen,
Mylord.“
Archimonde schlug sich mit knapper Geste gegen die schwere Platte
seines Brustpanzers und entgegnete dem lodernden Blick des anderen
mit der kühlen Gelassenheit eines äußerst erfahrenen
Strategen. Hunderttausend flammende Banner flatterten im eisigen Wind,
der über die Ebene peitschte. Und erfüllte die Luft mit
einem durchdringenden Gestank nach Phosphor und verbranntem Fleisch.
„Diese elende Steinkugel mit ihren verkommenden Monden hat keine
Eile, Archimonde. Das, wovon ich spreche, ist weitaus vielversprechender.“
Der dunkle Gott ließ ein misstönendes Lachen hören,
so urgewaltig, dass die umlegende Einöde erbebte und einige instabile
Höhlendächer krachend einstürzten und tiefe Risse im
Erdreich zurückließen.
„Ich bin für alle Anregungen offen, Mylord“, erwiderte
der verschlagene Heerführer mit einem dünnlippigen Lächeln,
das seine Reißzähne nur wenig entblößte. Die
Augen in dem mit Blut und Dreck verkrusteten Gesicht glichen weißglühenden
Eisenkernen.
„Ich würde dich bitten, deinen Vorschlag weiter auszuführen,
Sargeras.“
Seine unerschütterliche Höflichkeit entbehrte nicht der
unterschwellig ätzenden Ironie eines hochrangigen Dämonenoffiziers,
der sich seiner Stellung in der Legion sehr genau bewusst war.
Mit flammenumflorter Hand deutete der titanische Anführer auf
eine Lücke in der tiefhängenden Wolkendecke.
„Ich spüre die Existenz einer Welt, die sich für uneinnehmbar
hält oder von Wesen bewohnt wird, die glauben, im Sog der Unterwelt
unsichtbar zu sein. Selten habe ich Lebewesen wahr-genommen, die gedankenloser
mit Kräften spielen, die sie am Ende in Stücke reißen
werden. Entweder sind sie ungewöhnlich mächtig oder über
alle Maße ahnungslos.“
Um diese Worte zu bekräftigen, ballte der Erzverwüster die
gewaltige Faust und zermalmte einen Felsbrocken, den er aufgehoben
hatte, zu Sand.
„Ich möchte dich damit beauftragen, den Ausgangspunkt dieser
Schwingungen, die den Sog der Dunkelheit so vernehmlich erschüttern,
ausfindig zu machen und ins Auge zu nehmen. Bevor deine Grubenlords
sie Sternenstaub gleichmachen, möchte ich, dass du so viel Informationen
über sie herausbringst wie möglich. Ich möchte sehen,
wie weit ihre Urheber gehen, wenn sie erfahren, dass es jemanden gibt,
der ein Auge auf sie geworfen hat. Ich möchte herausfinden, wie
leicht sie dazu überredet werden können, mit ihrem Erzfeind
zu paktieren oder ob sie überhaupt fähig sind, nennenswerten
Wi-derstand zu leisten. Magier von solcher Macht sind wahrhaftig eine
Seltenheit im erschrek-kend wehrlosen Einerlei unwissender Welten.“
„Ich schicke eine Vorhut durch den Sog, um die Quelle zu lokalisieren,
Mylord.“
„Gut, zunächst ist nichts anderes erforderlich, als dass
deine Einheiten das Treiben dieser Welt genau ausspähen und du
mir detailliert über deine Beobachtungen berichtest. Weitergehende
Befehle erfolgen zum späteren Zeitpunkt.“
„Dein Wort ist mir Befehl, Mylord.“
Mit einer angedeuteten Verbeugung schlug sich der Dämon vor die
Brust, ließ die Sporen zusammenknallen, dass ein Wirbel Funken
aufsprühte, und drehte sich abrupt ab. Im raschen Marschschritt
kehrte er zu den Truppenteilen zurück, die zur Elite zählten,
und bestimmte einen kleinen Trupp seiner Wahl. Unverzüglich setzten
sie sich in Richtung des natürlichen Portals, das diese Weltenruinen
mit dem Sog verband, in Bewegung.
Nur selten war Archimondes Pioniergeist eine so willkürliche
Grenze gesetzt worden. So sehr er Sargeras Entscheidung verabscheute,
so genau wusste er, dass es äußerst unklug war, sie in
Zweifel zu ziehen. Zweifellos würde Sargeras, der ihm an Machtfülle
und speziellen Erfahrungen überlegen war, einen sehr gewichtigen
Grund für dieses beinahe behutsame Vorgehen haben. Selten hatte
er erlebt, dass sich Sargeras persönlich für das, was sich
auf einer belebten Welt herangebildet hatte, interessierte. Anscheinend
war er tatsächlich auf eine nichtdämonische Zivilisation
gestoßen, die verdorben genug war, die Brennende Legion herauszufordern.
*
Erfüllt mit nagender Ungeduld
und quälenden Selbstzweifeln schritt Furion durch vielfach verzweigte
Korridore und Seitengänge. Stünden ihm nicht die magischen
Fertigkeiten eines Adepten zur Verfügung, hätte er längst
sein Ziel aus den Augen und sämtliche Orientierung verloren.
Allein der Gedanke an die sanftgeschwungenen elfenbeinfarbenen Schultern
Tyrandes ließ sein Herz heftig klopfen.
Hatte er wirklich die Hoffnung, sie ohne vorhergehende Anmeldung in
ihren Gemächern anzutreffen? Furion ahnte, wie töricht sein
Vorhaben war. Doch setzte er größte Hoffnung in das Gespräch
mit der Priesterin, die im Gegensatz zu ihm immerhin gelegentlich
in die Nähe der Königin geriet. Aus ihrem Mund, hoffte er
kühn, würde Azshara seiner Theorien wenigstens Aufmerksamkeit
wenn auch keinen Glauben schenken.
Tyrande bewohnte einen der Türme, die sich wie hohe schma-le
Schneckenhäuser in schwindelerregen-de Höhen schraubten.
Wenn eine magische Treppe Besucher erwartete, hob sie ihn mit sanfter
Kraft in die Höhe, ohne dass es ihn die geringste Mühe kostete.
In diesem Fall hatte Furion weniger Glück. Kein verborgen gewobenes
Affinitätsfeld wartete auf seine Ankunft. Natürlich nicht.
Schwitzend und außer Atem stützte er sich auf den gläsernen
Handlauf auf, während seine Füße die enge Wendel der
Treppen hochmarschierten. Stufe um Stufe arbeitete er sich in die
Höhe. An einem Absatz, der zu einer verschlossenen Tür führte,
musste er stehen bleiben, die Hände auf die leicht gebeugten
Oberschenkel gestützt, um Luft zu schöpfen.
Zögernd trat er vor die runde Tür und griff nach dem bronzenen
Bügel eines Türklopfers in Gestalt eines Hyppogryphenkopfes.
Nichts deutete darauf hin, dass ihr an Besuch gelegen war. Vermutlich
befand sie sich mit den Schwestern ihres Ordens in den heiligen Hallen
des Tempels, um ihren täglichen Verpflichtungen nachzugehen.
Furion wünschte sich, sie hätte wenigstens eine magische
Botschaft im Türklopfer hinterlassen, die einem Besucher die
Enttäuschung versüßte, sie nicht persönlich angetroffen
zu haben. Schon hatte sich Furion umgedreht, um den weniger beschwerlichen
Abstieg anzugehen. Ein leise klirrendes Geräusch ließ ihn
verwirrt den Kopf zurückwerfen.
„Furion, du? Warum hast du dich nicht anmelden lassen?“
Bestürzt und verlegen wie er war, starrte der junge Nachtelf
die Gestalt der Priesterin wortlos an. Flammende Röte huschte
bis in die Haarwurzeln über sein blasses Gesicht. Vergeblich
hoffte er sich unter dem ausladenden Kopfputz seines Gelehrtenstandes
zu verstecken.
„Ich ... ich habe nicht gehofft, dich zu sehen, Tyrande.“
Wie er so dastand, die Rolle, die er umkrampft hielt, fast unter dem
weiten Ärmel seines Um-hangs verbogen, glich er einem Studenten,
der ein Buch aus dem verbotenen Bereich der Bi-bliothek zu entwenden
versuchte.
„Tritt nur näher.“
Fast gewichtslos schwebte sie vor ihm durch die erstaunlich geräumigen
Flure. Die Zimmer-flucht, die sich irgendwo zwischen den höheren
Etagen des schmalen Turms verbarg, überraschte durch ihre Weitläufigkeit.
Sanft getöntes Licht sickerte durch die farbigen Glasscherben
des Mosaiks. Selbst Kommoden und winzige Tischchen auf gedrehten Säulenbeinen
schimmerten in unwirklichen Pastellfarben, als wären sie aus
Perlmutt gearbeitet worden. Tyrande selbst in ihrem schlichten Kleid
aus elfenbeinfarbener Seide glich der leicht geöffneten Scheinblüte
einer Callas. Furion nahm kaum wahr, wie sie ihn zu einem zierlichen
Ruhesessel führte. Mit katzenartigen Bewegungen ließ sie
sich ihm gegenüber auf einer Chaiselongue nieder, winkelte ein
Bein an ihren Körper und betrachtete ihn voll zurückhaltender
Erwartung.
„Um ganz ehrlich zu sein“, erklärte sie mit einem
entwaffnenden Lächeln, „habe ich mit dir als letztes gerechnet.“
Hastig befeuchtete sich Furion die Lippen. Es kostete ihn einige Willensanstrengung,
nicht wie ein törichter Adeptus minor an ihr vorbei auf die schmetterlingsflügelartigen
Arabesken des Fußbodens zu starren. Sie lächelte. Der sanfte
spöttische Blick aus kristallhellen Augen machte ihn ganz benommen.
„Ich ... ehm ... bin nicht ... Ich meine ...“
„Möchtest du eine Erfrischung, Furion? Wenn man diese Treppen
ersteigen muss, kann sich der Weg ganz schön in die Länge
ziehen.“
Der junge Gelehrte nickte erleichtert. Wenn er einen Opalglaspokal
in der Hand halten würde, hatte er immerhin Gelegenheit vorzugeben,
die Lichtrefraktionen im Inneren zu beobachten.
„Wo soll ich beginnen?“
Er nahm einen tiefen Schluck aus dem gereichten Becher. „Unter
normalen Umständen sollte ich mich in meinem Studierzimmer in
der Bibliothek aufhalten und an meinem Artikel weiterarbeiten.“
Er schluckte und hob, nun etwas mutiger, den Kopf. „Augenblicklich
sieht es so aus, dass du der einzige Quel’dorei bist, der mir
weiterhelfen kann. Ich habe etwas entdeckt, dessen Implikationen ich
mir gar nicht auszudenken wage.“
„Auf einer deiner Reisen?“
„Du weißt davon?“ Sein Gesicht hatte einen ziemlich
unverständnissinniges Ausdruck ange-nommen.
„Gewöhnlich erfährt man mehr, als es in den sich verlierenden
Gängen möglich erscheint.“
„Es hängt mit dem Brunnen zusammen und der magischen Kraftquelle,
die darin verborgen ist.“
„Was möchtest du damit andeuten, Furion?“ Obwohl
ihre Antwort leichte Skepsis anklingen ließ, verriet ihr Blick,
dass sie entschlossen war ihn anzuhören.
„Ich hätte die Zusammenhänge sehr viel eher entdecken
können, hätte ich meine Sinne wirk-lich benutzt. Die Berichte
der Einwohner Silvermoons, die Überlieferungen in den alten Schriften.
O bei Elune, ich hätte es viel eher sehen müssen!“
Leichtfüßig war sie von ihrem Sitz geglitten. „Das
hängt immer von den Voraussetzungen ab. Das, was sich direkt
vor unseren Augen abspielt, ist nicht immer das Naheliegendste. Was
hast du herausgefunden, Furion?“
Mit dem Gesicht zu einem kristallrosenförmigen Fenster gewandt,
von dem aus tatsächlich ein Blick über die schimmernden
Dächer und Spitztürme hinweg auf den See möglich war,
schien sie in die Ferne zu starren. „Ich höre dir zu.“
„Ich spreche nicht von den zerfallenden Tempeln, Tyrande, auch
nicht von dem schleichenden Zerfall der prächtigen Städte
Kalimdors. Wie viele Hochgeborene haben den Palast nie verlas-sen,
haben nie etwas anderes zu Gesicht bekommen als seine Terrassen und
Flure und viel-leicht einen Blick auf die blaue, ferne Scheibe des
Sees. Die Menschen, die ich draußen befragte, beobachteten in
den Nächten seltsame Himmelsphänomene. Tagsüber erschüttern
Beben das Land, die brüchige Ruinen zusammenstürzen lassen.“
„Erdbeben sind nichts Ungewöhnliches, Furion.“
„Heutzutage nicht mehr. In den ältesten Aufzeichnungen
habe ich nie etwas darüber entdeckt, wenngleich die Besiedlung
des Kontinents sehr detailliert beschrieben wird. Es scheint, dass
diese Erscheinungen in den letzten Jahrhunderten immer mehr an Häufigkeit
und auch Stärke zugenommen haben, insbesondere nach dem Bau des
Palastes.“
„Ich möchte den Zusammenhang nicht in Abrede stellen.“
Sie schüttelte das filigrane Gebilde ihrer komplizierten Frisur.
Schmuckanhänger, so dünn wie Plättchen aus Feldspat,
klirrten und klangen leise bei dieser Bewegung.
„Die Zeiten, die ich in den Aufzeichnungen festgestellt habe,
fallen auffällig genau deckungsgleich mit magischen Großereignissen
und Versuchen zusammen, deren Protokolle in der Bibliothek verwahrt
werden. Sie sind eine unmittelbare Nebenwirkung der Magie, die wir
bewirken. Wenn es so weiter geht, Tyrande, sind unsere magischen Versuche
Ursache für verheerendste Naturkatastrophen!“
„Das klingt in der Tat ernst. Aber ich habe das Gefühl,
dass wir es mit einer sich eher langfristig entwickelnden Angelegenheit
zu tun haben.“
„Du irrst dich, Tyrande! Bei Elune, die Abstände werden
immer kürzer, dafür nehmen die Ausschläge ständig
an Stärke zu. Wenn diese magische Praxis, wie sie von Azshara
gefördert und betrieben wird, nicht eingeschränkt wird,
kommt es zu unaussprechlichen Ereignissen.“
Tyrande entdeckte die Furcht in seinen flackernden Augen. „Du
bist davon überzeugt, nicht wahr?“
Er nickte verzweifelt.
„Der Brunnen ist keine in sich abgeschlossene Entität.
Er wurzelt in einer Kraftquelle außerhalb dieser Welt, in etwas,
was jenseits von Zeit und Raum liegt. Dieses Reich, von dem ich spreche,
ist der Aufenthaltsort dunkler Kräfte und Wirkungskreis verderblicher
Strömungen. Er gleicht einem Leuchtfeuer, o Tyrande, das direkt
in das Herz der Unterwelt strahlt: eine Landmarke, ein Begrenzungspfahl,
an dem sich die dunklen Mächte der Finsternis nur orientieren
müssen.“
„Was sollte ausgerechnet ich in dieser Sache tun?“ Ihre
zarte wohlklingende Stimme klang deutlich schrill vor Unbegreifen.
„Deine Familie gehört zu einem Kern der Priesterschaft,
die einen gemeinsamen Einfluss auf die Königin haben. Wenn es
dir gelingt, die Hochwohlgeborenen nur für ein paar Tage von
ihren Aktivitäten fernzuhalten, könnte das ... für
mich ... für Azeroth ... sehr wichtig sein. Es ist möglich,
dass wir das Feuer so wieder zum Verlöschen bringen.“
„O Furion!“ Eine leichte Röte glühte auf ihren
Wangen. „Hast du den Magisterrat schon von deiner Entdeckung
unterrichtet?“
„Nein, nein.“ Hastig schüttelte er den Kopf. „Bis
der sich zu einer Entscheidung durchgerungen hat, die nicht gerade
meine Stellung kostet, kann es schon zu spät sein! Einige Tage,
Tyrande, können unter Umständen genügen, einen wirksamen
Schutz zu entwickeln. Aber zur Zeit bin ich völlig ratlos.“
„Ich kann versuchen, meinen Einfluss geltend zu machen. Aber
ich kann nicht versprechen, dass ich in den nächsten Tage Gelegenheit
habe, eine Unterredung mit der Königin persönlich zu führen.
Genau genommen habe ich nichts in der Hand, was diese Behauptung unterstützt.“
„Das ist mir bewusst, Tyrande. Doch gehörst du zu den wenigen,
die noch immer bedeutenden Einfluss genießen, obwohl sie dem
alten Weg nahe stehen. Der Magisterrat kennt meine Ansichten.“
„Gut, ich verspreche dir, das zu tun, was in meiner Macht steht.
Aber wenn du dem Magisterrat ausweichst, weichst du auch der Verantwortung
aus, die du in deiner Funktion als Scholar für die Sicherheit
der Gemeinschaft trägst.“
„Ja, du hast wohl recht.“ Erschöpft erhob er sich
von seinem Sitz. „Ich hatte ein Gesicht, Tyrande. Etwas Gewaltiges
tauchte unter der unheilvoll bewegten Oberfläche des Brunnens
auf.“
„Deine Beunruhigung könnte sich deinem Bewusstsein in Form
von Visionen zeigen. Sprich mit dem Domus maximus. Es ist der beste
Weg, Furion“, sprach sie eindringlich.
„Ich danke dir für deine Geduld.“
Auf unerklärliche Weise nahe daran, in Tränen auszubrechen,
stürzte Furion mit hastigen Schritten durch die Flure auf den
Ausgang zu. Tyrande sah bestürzt hinter ihm her. Doch sie machte
keine Anstalten, ihn aufzuhalten. Erst auf dem Treppenabsatz kam der
junge Kaldorei zur Ruhe. Nach und nach sickerte die Erkenntnis in
seinen verwirrten Verstand, dass eine aufmerksame Hand einen Transportzauber
über die Wendeltreppe geworfen hatte, der ihn behutsam in die
Tiefe beförderte. Nach einigen tiefen Atemzügen gelang es
Furion, die Tränen herunterzuschlucken.
Selten fühlte er sich Tyrande, mit der zusammen er während
seiner Adeptenzeit so viele Stunden in der Bibliothek verbracht hatte,
ferner als in diesem Augenblick. Kaum hatte er ihre gewendelte Zimmerflucht
verlassen, schien ihn die Treppe von ihr wegzubringen, als hätte
er damit die letzte Verbindung zu ihr und ihrem Leben aufgegeben.
Unvermutet hatte sie ihn eingelassen und angehört. Hätte
er doch nur den Mut gefunden, länger zu bleiben und die Ge-fühle
zu schildern, die ihm in ihrer Nähe so überwältigend
erschienen waren?
In Zukunft, dachte Furion voll unvernünftiger Angst, würde
sich vielleicht nie wieder eine Gelegenheit ergeben, sich beinahe
zwanglos mit ihr zu treffen.
Impressum:
GdN #44 ist ein nichtkommerzielles Fanzine des TCE (Terranischer Club
EdeN).
GdN #44 ist im März 2004 erschienen.
Umfang: 116 Seiten - Auflage: 33 Exemplare - Einzelpreis: 3,30 €
plus Versand
Text / Illustrationen: Christiane Lieke
Geschichten der Nacht erscheinen in der Regel vierteljährlich;
ein Abo über 4 Ausgaben ist zum Preis von 16 € erhältlich.
Bestellen