Leseprobe:
Planet T’Gaija, Mandos, zwei Tage
später
Enterprise – Gaija-System
Reed verlor für einige Augenblicke
die Orientierung. Als er wieder klar denken konnte, sah er mit wachsender
Faszination das Szenario auf dem Hauptschirm. Ein Teil seines Intellektes
wusste, das die Darstellungen von dem Brücken-Subprozessor aus
Daten der Subraumsensoren generiert worden waren.
Trotzdem bildete es die Wirklichkeit ab, wenn auch nur eine für
seinen dreidimensionalen Verstand herausgefilterte Realität.
Das regenbogenfarbene Strahlen, der heranschießende Ring, am
Rand als silbrig weißer Lichtkreis geformt, im Innern erfüllt
von violettem Fluten und Wallen war wieder zu sehen.
Ein Gebilde, das sich im Zentrum plötzlich vorstülpte, zur
alles mitreißenden Woge und schließlich zu einem wabernden
pulsierenden weißen Tunnel wurde. Ein einziges Blenden, Gleißen,
Funkeln, Toben und Brodeln erfüllte wie kurz zuvor oder waren
es tausend Jahre?, die Brücke der Enterprise.
Malcolm Reed fühlte sich plötzlich in einer Zeitschleife?
Hatte er dies alles nicht kurz zuvor bereits erlebt? Der Wahnsinn
griff nach seinem Denken, verzerrte und zerfaserte es. Alles wurde
unwirklich, unreal.
Sah so das Ende aus?
Dann aber veränderte sich etwas. Zuerst wurden sie von einem
blendenden weißen Etwas ausgespuckt, als wären sie Sektkorken.
Eine Explosion! Wahrscheinlich eine EPSLeitung. Reed hörte das
charakteristische Prasseln eines Plasmafeuers. Er setzte auf die Automatik,
die es mit einem Eindämmungsfeld bekämpfte. Er war im Moment
einfach nicht einsetzbar, nicht er selbst, aus Fleisch und Blut.
Die raumzeitlichen Strukturen formierten sich neu. Einige Bildschirme
implodierten. Etwas traf seinen Kopf. Wieder verlor er kurzfristig
die Orientierung. Etwas zischte auf, wahrscheinlich ein Hypospray.
Die Medikamente holten ihn zurück.
Sein Kopf war bandagiert, ebenso am linken Arm.
„Sir! Sie wurden von herumfliegenden Explosionssplitter getroffen.
Glücklicherweise haben Sie keine ernsthaften Verletzungen. Trotzdem
sollten sie sich so schnell wie möglich von Doktor Phlox behandeln
lassen.“
Rauch erfüllte die Brücke. Die automatischen Brandbekämpfungssysteme
kämpften gegen ein mittleres Chaos an. Hektik, die aber immer
mehr der Ordnung wich. Ernsthaft schien niemand verletzt worden zu
sein. Die zerstörten Konsolen, Bildschirme und EPS-Leitungen
waren zu ersetzen. Die NX-01 schien die Reise durch den Hyperraum
erstaunlich gut überstanden zu haben.
Reeds Augen tränten. Nur mit Mühe erkannte er, dass Hoshi
seine Samariterin gewesen war. Sie war längst wieder an ihrer
Konsole und kommunizierte mit den verschiedensten Abteilungen. Malcolms
Augen beruhigten sich langsam. Die Medikamentenbreitbandwirkung setzte
ein. Bohrende Kopfschmerzen reduzierten sich auf ein erträgliches
Maß.
Travis Mayweather während seines Blackouts, dass offensichtlich
länger gedauert hatte, als er zuerst vermutete, meldete sich.
„Ich übernehme, Ensign.“
„Wirklich Sir? Sollten Sie sich nicht von Dr...“
„Travis! Nichts gegen ihre Ambitionen auf meinen Stuhl. Sie
haben ihre Sache gut gemacht, aber jetzt bin ich wieder da! Verstanden?“
Der dunkelhäutige Sohn von ‚Weltraumnomaden‘ lächelte
leicht, wie es schien amüsiert. „Selbstverständlich,
Sir.“
„Bericht, Fähnrich!“ Während Malcolm Reed den
Berichten lauschte, erkannte er, wie knapp es gewesen war.
Travis hatte sich als ein hervorragender Pilot erwiesen, der sich
voll auf seine Instinkte und die hoch entwickelte Navigationstechnik
des Flaggschiffes der Sternenflotte verließ. Aber letztlich
verdankte er es seiner Intuition, dass sie nicht hilflos im Orbit
um den dritten Planeten einer namenlosen gelben Sonne kreisten und
die Gefahr bestände, schlussendlich infolge von Energiemangel
abzustürzen.
Nicht nur das stabile Wurmloch war ein Phänomen, sondern auch
jene Anomalie rund um den Planeten, der die auf Subraumtechnik basierende
Technologie versagen ließ. Dazu gehörte natürlich
der Warpantrieb, die SIF-und TDS-Systeme, Antimaterie-Materie-Reaktor,
Fusionsgeneratoren und Impulsantrieb. Die Fusionsgeneratoren wurden
durch Magnetfelder eingedämmt, die in ihrer Wirkungsweise bis
in den Hyperraum reichten. Beim Impulsantrieb kamen Raumzeit-Antriebsspulen
in den Einsatz. Diese Spulen, die auch beim Warpantrieb benutzt wurden,
bewirkten eine geringe Dimensionsverzerrung, ohne es allerdings über
die Warpgrenze hinaus zu schieben. Ohne diese Raumverzerrung wäre
ein Impulsflug bis zu o,65 c unmöglich.
Die Masse und Energieaufwendung hierzu wäre exorbitant. Der Reaktionsschub
allein reichte dazu nicht aus. Ohne die Subraumtechnologie wäre
die Enterprise im Grunde nicht einsetzbar, ein Wrack.
All dies hatte Travis durch seine intuitive Reaktion, direkt nach
dem Austritt aus dem Interdim-Tunnel, verhindert, indem er das Schiff
blitzschnell in ausreichende Entfernung zu dem multidimensionalen
Eindämmungsfeld um den Planeten gebracht hatte.
Das Feld besaß einen Durchmesser von vier Millionen Kilometer.
Im Zentrum lag die Klasse M-Welt. Sie konnten sich also bis auf eine
Entfernung von zwei Millionen Kilometer nähern. Die telemetrischen
Sensoren, ausgestattet mit Heissgas-RKS-Manöverdüsen und
Sarium-Krellid-Speicherzellen lieferten bereits die ersten Daten.
Alle waren sie fasziniert, als sie die Städte auf dem Planeten
zu sehen bekamen.
Der Brückensubprozessor generierte wie üblich aus den Orterergebnissen
die Bilder. Besonders eine riesige Stadt im südlichen Teil des
gigantischen zentralen Kontinents fiel den Betrachter ins Auge. Deutlich
konnte man an der Peripherie starke Zerstörungen erkennen. Die
optischen Sensoren lieferten immer bessere Ergebnisse. Dann wurde
der Weltraumschrott im nahen Orbit in das Visier der optischen Scanner
genommen.
Während die Auswertungen noch auf sich warten ließen, checkte
Malcolm die internen Schadensmeldungen. Es gab keine Toten, lediglich
zwölf mittlere bis leichte Verletzte. In der Krankenstation wurde
es im Moment Überschichten geben. Nichts Gravierendes. Das Gleiche
galt für das Schiff. In ein bis zwei Tagen würde die NX-01
wieder voll einsatzfähig sein.
Die wissenschaftlich operative Missionsleiterin Prof. Dr. Ramina Siharto
meldete sich. „Kommandant. Unsere Subraumsensoren scannten beim
Durchgang eine dreidimensionale Struktur nahe des B-Ereignishorizontes.
Die erste Auswertung liegt vor. Ich gebe sie auf einen Ausschnitt
des Hauptschirms.“
Reed nickte und schaute auf die Darstellung. „Das sieht nach
einer Raumstation aus.“
„Eine iconianische Station, um es genau zu sagen“, ergänzte
die indische Professorin.
„Woher wollen sie das so genau wissen, Dr. Siharto.“
Die Asiatin lächelte. „Ich habe mich schon immer für
untergegangene technische Hochzivilisationen interessiert. Auf diesem
Sachgebiet halten die Vulkanier mit den Informationen nicht hinter
dem Berg. Jeder Interessierte kann sich in das Subraum-Datennetz einloggen.
Über die Iconianer sind erstaunlich viele Informationen vorhanden.
Nicht nur Mythen und Legenden. Vor 200.000 Jahren ist diese faszinierende
Hochzivilisation untergegangen. Sie bauten ein multidimensionales
interstellares Transportnetz, die wir GATEWAYS nennen. Wenn ich die
Impulse vom Dritten Planeten und das planetenweite Dämpfungsfeld
richtig interpretiere, existiert auf dieser Welt ein solches GATEWAY.
Dazu der interdimensionale Raumtransporttunnel. Ich kann es einfach
nicht fassen!“
Doktor Sihartos Begeisterung griff allerdings nicht auf Reed oder
die anderen über. Die Sorge um Archer, Tucker und T’Pol
ließen es nicht zu. Nur die Wissenschaftler teilten die Begeisterung
ihrer Chefin.
„Ja, was gibt es Travis?“
Der dunkelhäutige Navigator und Chefpilot setzte sein Pokerface
auf. Aber der Brite kannte Mayweather gut genug, um zu erkennen, dass
er mit seiner Fassung rang. „Die telemetrischen Scanns des Raummülls
um den Planeten und die ersten Untersuchungsergebnisse des durch die
Sonden aufgenommenen Schrotts ergaben eindeutig, dass es sich bei
der Trümmerwolke um die Reste der Kodian handelt.“
Malcolm Reed schluckte ein paar Mal. In seinem Hals bildete sich ein
dicker Kloß. Das rechte Auge tränte leicht. Der kommandierende
Schiffsoffizier fing sich rasch. „Das bedeutet noch nichts,
Ensign. Ein Großteil der Besatzung kann sich mit Rettungskapseln
abgesetzt haben. Die RKS-Triebwerke funktionieren, wie wir durch die
Sonden erfahren haben auch im Dämpfungsfeld zu etwa dreißig
Prozent. Damit könnten sie sehr holprig auf der Oberfläche
gelandet sein.“
„Natürlich Sir.“
Aber Travis Gesicht war anzumerken, dass er nicht daran glaubte, dass
ausgerechnet Archer und Tucker überlebt hatten. Reed spürte
die Blicke der Brückenbesatzung. Er musste dringend etwas für
die Moral tun. Im kam plötzlich eine Idee. Er erklärte sie
ihnen.
Danach schauten einige Offiziere optimistischer drein. Das Bordkom
meldete sich. Malcolm betätigte, die im Captain-Sessel integrierte
Rundrufanlage. Er drückte einen Knopf. „Reed, hier.“
„Forschungslabor Medo I, an Brücke. Kommandant. Bitte kommen
Sie in das Hauptlabor der medizinischen Abteilung!“
„In Ordnung, Doktor, ich komme, in wenigen Minuten. Travis,
Sie übernehmen die Leitung über das Projekt: Feuerreiter!
Ihr Stellvertreter soll den Steuermannsposten übernehmen.“
Mayweathers Augen glänzten in einem undefinierbaren Feuer. „Aye,
Sir!“ Er sagte es, stand auf und verließ mittels Turbolift
die Brücke. Seinen Posten nahm der zweite Pilot ein.
„Ja, Hoshi?“
„Ich möchte ebenfalls Mitglied des Projekts werden.“
„Ausgeschlossen. Sie scannen das ganze System nach Subraumfunkimpulsen
und Warpspuren ab. Ich habe das dumme Gefühl, dass wir nicht
allein im System sind.“
Hoshis Satos Augen schauten ihn fragend an. Sie sagte aber nichts.
Der Blick war Antwort genug.
„Wie gesagt, Ensign. Es ist nur ein Gefühl. Tun Sie es
einfach! Ich bin im Medoforschungslabor I.“
„Aye, Sir!“
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Der erste Teil dieser ENTERPRISE-Story ist als
GdN 45 im Juni 2004 erschienen.
Impressum:
GdN #49 ist ein nichtkommerzielles Fanzine des TCE (Terranischer Club
EdeN).
GdN #49 ist im Juni 2005 erschienen.
Umfang: 84Seiten - Auflage: 55 Exemplare - Einzelpreis: 2,60 €
plus Versand
Text: Wendelin Abt / Illustrationen: Christiane Lieke
Geschichten der Nacht erscheinen in der Regel vierteljährlich;
ein Abo über 4 Ausgaben ist zum Preis von 16 € erhältlich.
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